Der Wolf im Westerwald – Wie schütze ich meine Nutztiere?

Bei einer Veranstaltung zum Thema „Wolf“ am Dienstag den 22. Juni 2021 in der Wiedhalle in Neitersen im Westerwald forderten Tierhalter den Abschuss eines Wolfes.
Bei dem Wolf handele es sich um ein männliches Tier, dass in den vergangenen Monaten dreizehn Schafe in der Region gerissen habe, erklärte Paul Bergweiler. Er ist als Großkarnivoren-Beauftragter für die Beobachtung der Wölfe im Kreis Altenkirchen zuständig. Einige Teilnehmer der Veranstaltung forderten daher den Abschuss dieses „Problemwolfes“.
Landwirte im Haupt- und Nebenerwerb als auch solche, die hobbymäßig unterwegs sind, erhoben schwere Vorwürfe gegen das Mainzer Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität. Ihre Beschwerden, die sie am bei der Zusammenkunft unter dem Titel „Der Wolf im Westerwald – Wie schütze ich meine Nutztiere?“ in der Neiterser Wiedhalle an Dr. Peter Sound von Anna Spiegels Verwaltung richteten, reichten von viel zu niedrigen Entschädigungen bei Tierrissen, über mangelnde finanzielle Unterstützung für Herdenschutz, nicht bundesländergleiche Datenerhebung der Bestände und der Vorfälle bis hin zu viel zu hohen Hürden für die Entnahme (Abschuss) eines Tieres.
In den Diskussionsbeiträgen schwang oftmals Hilflosigkeit, Wut und Ärger mit. So hätten „unsere Altvorderen nicht umsonst die Wölfe ausgerottet, weil sie gewusst haben, dass sie gefährlich sind“, hieß es aus den Reihen der rund 100 Teilnehmer. Mehrere Anmerkungen stellten die überproportionale Mehrarbeit für das Freischneiden von regelkonformem Herdenschutz heraus, die nicht bezahlt werde, die Zahl der geleisteten Stunden aber nach oben treibe. Auch die Frage nach der zusätzlichen Belastung für die Steuerzahler wurde geäußert. „Welche Nutzen hat der Wolf?“, lautete eine weitere Frage aus dem Auditorium.
„Die Umweltverbände haben eine zu große Lobby“, wurde kundgetan, ehe die Aussage „Wir wollen den Wolf nicht!“ großen Applaus hervorrief.
„Es ist viel übereinander gesprochen und geschrieben worden, warum machen wir es nicht miteinander?“, führte Fred Jüngerich als Bürgermeister der Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld und Moderator der Zusammenkunft in das Thema ein, die zwischen dem Kreisbauernverband Altenkirchen, der Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz, dem Ministerium von Spiegel und Dr. Paul Bergweiler, dem Beauftragten für das Wolfsmonitoring im Raum Altenkirchen und Neuwied, verabredet worden war.
Hart ins Gericht mit der Mainzer Politik ging Josef Schwan als Vorsitzender des Bauernverbandes im Kreis Altenkirchen. „Die Landwirte sind die Hauptleidtragenden des politisch unterstützten Prozesses. Die Nutztierhalter fühlen sich allein gelassen. Das Umweltministerium befindet sich im Tiefschlaf“, nahm er kein Blatt vor den Mund und sprach von „Arroganz und Hilflosigkeit“.
Dr. Peter Sound machte zunächst einmal deutlich, dass es seit 2016 immer stetigere Durchzüge gebe, der Wolf aufgrund vieler Konventionen eine geschützte Art sei und im juristischen Sinne als „konfliktträchtiges und herrenloses Tier“ gelte. Daraus folgere, dass aus einem Schaden kein Rechtsanspruch für einen Ausgleich entstehe. Unterstützungsmöglichkeiten müssten auch immer vor dem Hintergrund des EU-Beihilferechts geprüft werden. Sound erklärte, dass auffällige Wölfe durchaus entnommen werden könnten. „Wir werden die Ultima Ratio umsetzen, wenn Leib und Leben gefährdet sind“, informierte er.

Als ehrenamtlich für Landesforsten tätiger Großkarnivoren-Beauftragter, als einer von 32 in Rheinland-Pfalz, ist Dr. Paul Bergweiler tief mit dem Thema verwurzelt und immer zur Stelle, wenn „Ermittlungen“ in Sachen Wolf vonnöten sind. Nach seinen Angaben wird ein Rüde bis zu 67, eine Fähe bis zu 50 Kilogramm schwer. Die Ranz (Brunft) ist zwischen Februar und März, die Tragezeit bis zur Geburt des Nachwuchses rangiere zwischen 62 und 75 Tagen. Ein Rudel bestehe aus bis zu elf Tieren als starker Familienverbund. Vielfach bekannt ist die Leuscheider Gruppe mit der Heimat im ausgedehnten Waldgebiet zwischen Weyerbusch, Leuscheid und Kircheib. Wie viele Köpfe es zähle, sei unbekannt. Zwei Tiere wurden auf der B 8 über-, ein drittes angefahren (Zustand unklar). Was aus „GW1896m“ geworden sei, konnte Bergweiler nicht mit Bestimmtheit sagen. Das Tier war für mehrere Risse zwischen Februar und Anfang Mai in der Region verantwortlich, wie die DNA-Proben, die das Senckenberg-Zentrum für Wildtiergenetik in Gelnhausen (bei Frankfurt) analysiert hatte, bewiesen.
Förder- und Entschädigungsmöglichkeiten zeigte Moritz Schmitt von der Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz auf. Dabei definierte er beispielsweise, wie ein Herdenschutz optimal gestaltet werde. Seit Jahresbeginn seien bereits 200 Anträge bearbeitet, eine gute Million Euro seit der Einführung im Jahr 2018 ausgegeben worden. Schmitt veranschaulichte, dass nur 1,1 Prozent der Risse von Wölfen auf Nutztiere entfielen. „Davon wiederum betreffen mehr als 90 Prozent Schafe und Ziegen und nur vier bis fünf Prozent Kälber“. Der Wolf töte, wenn er Hunger habe, professionell mit einem gezielten Biss, bei dem wenig Blut austrete. Der Abstand der Eckzähne liege zwischen 4 und 4,5 Zentimetern. Dann werde die Beute in Richtung Deckung gezogen, wo die Mahlzeit zwischen vier und acht Kilogramm Fleisch betrage. „Selbst größere Knochen stellen kein Problem dar“, wusste Schmitt.

Schließlich galt es nach einem sehr informativen Austausch, in dessen Verlauf Sound´s Aussagen teils auch mit Gelächter quittiert wurden, die Frage nach der Zukunft der Wolfspopulation zu beantworten – bei aktuell deutschlandweit rund 1000 Tieren in 128 Rudeln und einem 30-50 prozentigen Zuwachs pro Jahr -, was sich als nicht definierbar herausstellte.
So wünschten sich wohl einige Zuhörer eine Situation wie in Schweden, wo der Wolf gejagt werden darf und das „bei deutlich mehr Waldgebieten und deutlich weniger Einwohnern als bei uns“, wie ein Teilnehmer beschrieb.
In der Wiedhalle in Neitersen waren am Dienstagabend fast alle hundert Plätze belegt. Das Interesse der Bürger zum Thema Wolf war sogar so groß, dass die Infoveranstaltung zusätzlich ins Internet übertragen wurde. Einige Teilnehmer vor Ort signalisierten am Ende der Veranstaltung, dass sie sich von der Politik nicht ernst genommen und allein gelassen fühlen und manche verließen sogar vorzeitig die Halle.

Quelle: AK-Kurier (vh) vom 23.06.2021
SWR-aktuell (Christoph Bröder) vom 23.06.2021
Fotos: U. Schmidt

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